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Es geht nichts über ein Sandnäpfchen

„Wo willst du denn jetzt noch so spät hin?“
miaute Anastasius unzufrieden, als ich mir Hut
und Mantel anzog.
„Auf die Toilette, Anastasius.“
„Und da setzt du dir extra den Hut dazu auf?“
„Aber Anastasius, ich gehe doch zu Aschinger.“
„Ich denke, du willst auf die Toilette?“
„Auf die Toilette zu Aschinger.“
„Was du neuerdings für komische Moden ein-
führst. Warum gehst du denn dazu ausgerechnet
zu Aschinger, haben wir denn so was nicht in
der Wohnung?“
„Haben wir, ist aber seit dem letzten Rohrbruch
unbenutzbar, das weißt du doch.“
„Ja, ist denn das noch immer nicht gemacht?
Woran fehlt's denn jetzt wieder?“
„An Lötzinn, Anastasius. Das besitzen wir in
Deutschland nicht. Es muß erst aus dem Ausland
herangeschafft werden.“
„Und das kann wohl noch 'ne Weile dauern?
Zu dumm, daß ausgerechnet wir das Mißgeschick
mit dem Rohrbruch hatten.“
„Tröste dich, Anastasius, wir teilen dieses Mißgeschick mit halb Berlin.“
„Da muß ja halb Berlin zu Aschinger gehen,
muß das ein Gedränge sein!“
„Ist nicht so schlimm, Anastasius, daran gewöhnt
man sich.“
„Weißt du“, sagte Anastasius und stolzierte erhobenen Schwanzes zu seinem Sandnäpfchen,
„da haben wir Katzen es doch besser. Ich stelle
es mir wenigstens furchtbar schwer vor, heutzutage Mensch zu sein.“
„Als Mensch zu leben, meinst du, Anastasius“,
sagte ich und nahm meine Schlüssel, „Mensch
zu sein ist heutzutage beinahe unmöglich...“


„Weltanschauung“ eines Berliner Katers

Hör endlich mal auf zu spielen, Anastasius“,
sagte ich, „ich habe ernsthaft mit dir zu reden.
Der Chef ist unzufrieden mit dir.“
„Unzufrieden - mit mir?“ wunderte er sich.
„Warum denn bloß?“
„Er sagt, du negierst immer nur alles. Du sähest
nie das Positive, das Gute.“
„Ich kann auch beim besten Willen nichts Gutes
sehen“, knurrte er mißvergnügt.
„Weil du es nicht sehen willst“, schalt ich, „ist
die BaM beispielsweise nichts Gutes?“
„Kunststück“, meinte er, „die hat ja auch mich.“
„Und daß es jetzt Frühling wird - ist das nichts
Erfreuliches?“
„Wird ja schließlich jedes Jahr Frühling“, entgegnete er grämlich, „das kann man doch nicht auf die Positiv-Seite buchen.“
„Na, und daß wir jetzt nicht mehr zu frieren
brauchen, daß die Sonne von Tag zu Tag stärker
scheint, - daß uns Stromkrise und Kohlenknappheit
nicht mehr stören, - ist das alles
nichts, worüber man sich freuen kann?“
„Dafür haben wir jetzt eine Oberbürgermeister-
Krise und eine Fleischknappheit“, knurrte er
eigensinnig.
„Anastasius“, sagte ich, „du bist unverbesserlich.
Wann wirst du endlich mal eine positive
Einstellung zum Leben gewinnen?“
„An dem Tage“, erwiderte er und blinzelte mich
verschmitzt an, „an dem du sagen wirst: Ab
heute kannst du soviel fressen wie du willst.“


Interview mit einem Prominenten

„Neue Post für Dich, Anastasius“, rief ich und
schwenkte ein Bündel Briefe in der Hand, „mit
vielen netten Worten und lieben Grüßen für
unseren Redaktionskater . . . .“
„Und sonst ist nichts in den Briefen?“ fragte er.
„Was soll denn sonst drin sein?“
„Na, vielleicht Fischköpfe oder Wurstpellen . .“
„Aber Anastasius . . . man bettelt doch nicht!“
„Ich bettele ja gar nicht, ich meine bloß, wenn
die Leute vielleicht in die Briefe ein paar Wurst-
pellen . . .“
„Du unterläßt sofort solche Bemerkungen! Sei
froh, daß man überhaupt an dich schreibt . . .“
„Bin ich ja auch, bloß wenn vielleicht der eine
oder andere . _ .ich sag' ja schon nichts mehr.
Übrigens, woher kennen mich die Leute eigentlich?“
„Aus der ,BaM' natürlich, da lesen sie doch des
öfteren deine Weisheiten.“
„Dann bin ich jetzt also furchtbar berühmt“,
stellte Anastasius fest und platzte fast vor Stolz.
„Furchtbar berühmt ist ja nun stark übertrieben,
sagen wir mal bekannt.“
„Ich bin also eine bekannte Persönlichkeit“, beharrte
er und hob sein Schwänzchen noch höher
als sonst. „Aber sag mal, wieso bekommen
eigentlich bekannte Persönlichkeiten in Berlin
keine Lebensmittelkarten?“
„Was redest du denn da für einen Unsinn?
Prominenten Personen auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft steht sogar Karte I zu.“
„Na, dann müßte ich doch schon längst Karte I
haben.“
„Du bist eben keine Persönlichkeit, du kleiner
Gernegroß, sondern ein Kater.“
„Aber ein bekannter!“
„Schön, ein bekannter Kater.“
„Und was steht mir nun in meiner Eigenschaft
als bekannter Kater zu?“
„Eine gehörige Tracht Prügel“, sagte ich und
gab ihm einen Klaps, „weil du bekannte
Persönlichkeit dein Geschäftchen wieder mal neben deinem Näpfchen verrichtet hast.“


Eine echte Kateridee

„Wer ist denn nun' eigentlich unser neuer Oberbürgermeister?“
fragte Anastasius interessiert,
als er mich Zeitung lesen sah.
„So weit sind wir noch nicht, Anastasius“, erwiderte ich, „der alte ist jetzt erst zurückgetreten.“
„Warum mußte er eigentlich gehen?
„Man wirft ihm Unfähigkeit vor, Anastasius.“
„Warum hat man ihn dann überhaupt auf diesen
Posten gesetzt? Und was soll er denn nun anfangen?
Eine solche Stellung wird er doch so
schnell nicht wiederfinden, oder glaubst du, daß
Oberbürgermeister zu den Mangelberufen gehören?“
„Er muß doch nicht wieder Stadtoberhaupt werden, Anastasius.“
„Was /soll er denn sonst machen, wo er doch gelernter Oberbürgermeister ist.“
„Rede doch nicht so einen Unsinn, Anastasius.
Gelernte Oberbürgermeister gibt es gar nicht.“
„Das ist aber ein feiner Beruf, wenn man dazu
gar nichts zu lernen braucht. Da könnte ich doch
auch... Meinst du nicht, daß ich mich gut zum
Stadtoberhaupt eignen Würde?“
„Stell dir das nicht so einfach vor, Anastasius.
Der Oberbürgermeister Berlins - das muß einer
sein, der es allen recht macht - der allen
Berlinern gefällt.“
„Allen gefällt?“ schnurrte er und streckte behaglich alle Viere von sich, „dann bin ich doch der Richtige . . . oder gefalle ich etwa nicht allen
Berlinern?“
Sagen Sie selbst, was soll man einem größenwahnsinnig gewordenen Kater darauf antworten?


 

Für eine Katze bedeutet Treue nicht, immer dazu bleiben, sondern immer wiederzukommen. (Klara Löwenstein)

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