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Kavalier in der U-Bahn

„Was ich alles erlebt habe, als ich neulich die
paar Tage von Hause weg war“, prahlte Anastasius,
„habe ich dir eigentlich schon erzählt, daß
ich auch U-Bahn gefahren bin?“
„Nein“, sagte ich, „und wie hat es dir gefallen?“
„Gar nicht“, erwiderte er, „die U-Bahn ist überhaupt
ein ziemlich unreelles Unternehmen . . .
Verkaufen einfach mehr Karten, als sie Plätze
haben, das ist doch eigentlich unerhört . . . Und
dann fahren lauter Leute mit so komischen
Namen mit . . .“
„Leute mit komischen Namen?“'
„Ja. Da war beispielsweise eine Frau, die hieß
Mistbiene - wenigstens nannte sie der Herr, der
hinter mir stand, so. Und sie titulierte ihn mit
,Oller Kuhkopp. Möchtest du Oller Kuhkopp
heißen'?“
„Das möchte ich ganz und 'gar nicht . . . Wahrscheinlich
hast du dich verhört . . .“
„Bestimmt nicht“, wehrte er ab. „Und am
meisten mißfällt mir das neue U-Bahn-Gesetz.“
„Was denn für ein U-Bahn-Gesetz?“ fragte ich
erstaunt.
„Daß nur Männer sitzen dürfen. Ich kann mir
nicht helfen, aber ich finde das nicht richtig, daß
man ein Sitzverbot für Frauen erlassen hat.“
„Aber man hat ja gar kein Verbot erlassen,
Anastasius, und ein U-Bahn-Gesetz existiert gar
nicht. Wenn die Frauen stehen müssen, liegt das
daran, daß. die Männer heutzutage alle keine
Kavaliere mehr sind . . .“
„Nicht alle“, wies er mich zurecht. „Ich bin z. B.
gleich vom Sitz gesprungen, als so ein netter
Käfer mit Rucksack hereinkam, und habe ihm
meinen Platz angeboten . . .“
„Na und . . .?“
„Da dreht das Mädel sich zu ihrem Begleiter um
und sagt: „Hier Gustav, setz dich, du Armer hast
ja heute schon zwei Stunden mit mir zusammen
laufen müssen . . .“


Anastasius auf dem Schwarzen Markt

„Gesessen habe ich übrigens auch, als ich die
paar Tage unterwegs war“, verkündete Anastasius stolz.
„Die Polente hat mich nämlich geschnappt . . .“
„Polente - gesessen - geschnappt -, was sind
denn das für Ausdrücke, Anastasius?“ rief ich
entsetzt, „und warum haben sie dich denn festgenommen?“
„Ich wollte mir etwas zum Fressen beschaffen,
und da bin ich auf den Schwarzen Markt
gegangen und habe versucht, mein Halsband zu
verschieben. Leider war gerade Razzia, und kaum
hatte ich das Ding verschachert, hatte mich so
ein Greifer auch schon am Schlafittchen...“
„Du solltest nicht solche gräßlichen Ausdrücke
gebrauchen“, Wies ich ihn zurecht.
„Aber warum denn nicht“, verteidigte er sich,
„jeder Berufsstand hat seine Fachausdrücke. Sie
hätten mich übrigens nicht gekascht, wenn mich
nicht so ein Achtgroschenjunge aus Konkurrenzneid
verpfiffen hätte.“
„Na und weiter?“
„Ich bin dann vor den Schnellrichter gekommen,
und der wollte durchaus wissen, von welchem
Großschieber ich die Halsbänder beziehe, und
dann fragte er, ob ich einer geregelten Tätigkeit
nachginge. Da habe ich einfach gesagt, ich wäre
von der Presse und nur studienhalber auf dem
Markt gewesen, und da ließ er mich laufen . . .“
„Und die anderen Schwarzhändler?“
„Die wurden alle zu Geldstrafen verurteilt und
sind dann wieder auf den Schwarzen Markt
gegangen.“
„Wieso denn das? Ich denke, die ganze Ware ist
ihnen abgenommen worden . . .“
„Ooch, die haben sich sehr schnell wieder neue
beschafft . . .“
„Aber dann ist ja durch die Razzia gar nichts
geändert worden . . .“
„Doch“, meinte Anastasius sachverständig, „die
Preise - die sind sofort affenartig in die Höhe
geklettert, weil die Schwarzhändler gleich die
Geldstrafen mit draufgeschlagen haben.“


Das ist die Berliner Schlange

„Auf meiner Reise durch Berlin habe ich übrigens was Komisches beobachtet“, erzählte Anastasius.
„Der Berliner stellt sich zu gern an...
Komme ich doch an einem Obstgeschäft vorbei,
vor dem eine lange Menschenschlange steht.
Hungrig wie immer, frage ich, was es denn hier
gäbe . . .“
„Und was wurde nun verkauft?“ wollte ich
wissen.
„Der Herr, den ich zuerst fragte, sagte, es gäbe
markenfreien Gurkensalat-Ersatz. Na, da wollte
ich mich auch anstellen, aber da mischte sich
eine Frau ins Gespräch und meinte, der Herr
wäre ein Esel, es gäbe nicht Gurkensalat-Ersatz, sondern synthetisches Wirsingkohlpulver. Und da
entgegnete der Herr, die Frau wäre eine dumme
Ziege, und darauf bin ich weggelaufen, weil eine allgemeine Prügelei entstand.“
„Na, da kannst du doch nicht behaupten, daß
sich der Berliner gern anstellt, wenn du das
gerade einmal gesehen hast“, sagte ich.
„Ich bin dann weitergegangen, und weil ich so
müde war, wollte ich mit der U-Bahn fahren.
Wie ich nun auf den U-Bahnhof Alex komme.
steht da auch eine lange Schlange . . .“
„Was gab's denn da zu verkaufen?“
„Das wußten die Leute alle nicht. Stell' dir
man an, wirst schon sehen, wat et jibt, sagte
eine alte Frau. Uff jeden Fall muß man sich
anstellen, irjendwat wird's schon sind . . .“
„Und da hast du dich angestellt?“
„Drei Stunden lang, und es ging schrecklich
langsam vorwärts. Als ich es schon aufgeben
wollte, war ich endlich dran.“
„Na und“, fragte ich, „hat sich die Anstellerei
diesmal gelohnt?“
„Nein“, sagte Anastasius verdrießlich, „ich hätte
mich vor Wut in den Schwanz beißen können.
Weißt du, wovor ich drei Stunden lang
gestanden habe?“
„Nein“, entgegnete ich neugierig. ,
„Vor der Damentoilette“, ärgerte sich Anastasius
und schnappte wütend nach einer Fliege.

Die „Fräuleins“ von Zehlendorf

„Weißt du übrigens, wen ich unterwegs getroffen
habe?“, fragte Anastasius,
„Nein“, sagte ich, „wen?“
„Felix, den Kater“, berichtete Anastasius, „der
hat jetzt einen großen Posten . . . ist Kontrolloffizier
bei irgendeiner amerikanisch lizenzierten
Filmfirma . . .“
„Das ist ja schön“, meinte ich.
„Ja“, erwiderte er, „und der hat mich mit in
den Klab genommen.“
„Wohin hat er dich mitgenommen?“
„In den Klab nach Zehlendorf . . _“
„Ach, in den Klub, meinst du“, sagte ich verstehend.
„Na ja“, belehrte mich Anastasius, „auf
amerikanisch heißt das aber Klab. Und da waren
furchtbar viel amerikanische Schentlemänner
und noch viel mehr amerikanische Ledies...“
„Und wie hat es dir nun im Klab gefallen?“
„Ooch, weißt du, die Schentlemänner waren ja
ganz nett, aber die Ledies waren mir zu
amerikanisch. Die gaben so schaurig an und konnten
alle nicht ein Wort Deutsch sprechen, und dann
hießen sie alle Desi und Bebi . . . Besonders eine
war furchtbar amerikanisch . . . Die hatte sich
ganz doll angemalt, war platinblond und rauchte
dauernd Zigeretts und fraß Tschokolet, und wenn
sie irgendwer auf Deutsch ansprach, zuckte sie
verständnislos die Achseln und redete mächtig
schnell amerikanisch . . .“
„Na und weiter“, fragte ich.
„Und nun hatte ich doch auch so einen Appetit
auf Tschokolet“, erzählte er weiter, „und da
faßte ich mir ein Herz, ging zu ihr hin und bat
sie ganz höflich um ein kleines Stückchen
Tschokolet . . .“
„Und hat sie es dir gegeben?“
„Nein“, erwiderte Anastasius, „sie guckte mich
sehr von oben herab an, und dann sagte sie so
richtig amerikanisch: denkste! . . . Und nun über-
lege ich die ganze Zeit, was kann wohl ,denkste'
auf deutsch heißen . . .“


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